Armin Neurauter, der designierte Obmann des Tourismus-Ortsausschusses Haiming-Ochsengarten, spricht mit uns über unsere Region, den Status des Tourismus im Land, was ihn persönlich wie beruflich antreibt so wie seine Ziele und Ideen für den Tourismus in der Gemeinde.



Armin, für alle, die dich noch nicht kennen: Möchtest du uns kurz erzählen, wer du bist und was dich ausmacht?

Ich darf mit 1.800 Metern den höchsten Ort unserer Gemeinde mein Daheim nennen! Dort wohne ich nicht nur mit meiner Frau und meinen beiden Kindern, auf unsere vier Häuser ist unsere sage und schreibe siebzehnköpfie Familie verteilt, die zusammen lebt und arbeitet. Den elterlichen Betrieb (Marlstein) habe ich 2013 übernommen, in den Jahren 2016 und 2020 hatten wir zwei große Umbauarbeiten, im Zuge derer wir unser Haus modernisiert und erweitert haben.

Sportlich bin ich begeisterter Bergfex, mich fasziniert alles, was die Schwerkraft hergibt – sei es nun Wandern, Klettern, Skitouren gehen oder Rodeln, bei allem, was die Berge bieten, bin ich dabei! Nebst Familienvater, Wirt und Bergfex bin ich aber auch Vereinsmensch, engagieren darf ich mich bei der Feuerwehr, der Lawinenkommission, bei der Vereinigung „Urlaub am Bauernhof Tirol“ bin ich Bezirksvorstand und nun kommt eben auch noch der Tourismus-Ortsausschuss-Obmann hinzu.

Zum Thema elterlicher Betrieb: War es für dich immer klar, dass du diesen einmal übernehmen wirst?

Nein, ich habe mich damals für die Handelsakademie entschieden, um Steuerberater oder etwas Ähnliches zu werden. Mir ist dann aber bald bewusst geworden, dass die Arbeit mit Menschen für mich besser ist, als jene mit Zahlen. Zuhause habe ich ja sowieso immer mitgearbeitet, und spätestens nach Abschluss des Tourismus-Kollegs war es klar, dass ich den Betrieb übernehmen möchte und werde.

Manche Leserinnen und Leser sind mit deiner / eurer Tätigkeit bestens vertraut, für andere könnte das alles komplettes Neuland darstellen. Könntest du uns die Strukturen des Tourismusverbandes kurz erläutern? Wie interagiert der örtliche Verband mit regionalen Stellen? Welche Kernaufgaben nehmt ihr wahr?

Unser „Dachverband“ ist der Ötztal Tourismus, der von Benjamin Kneissl als Obmann sowie drei Vorständen, von denen einer Peter Neurauter aus Haiming ist, geleitet wird. Die Ortsausschüsse, wie wir einer sind, sind im Tiroler Tourismusgesetz nicht verankert, jedoch können wir uns mit unseren Ideen einbringen und verwalten ein ortsspezifisches Budget vom Ötztal Tourismus, mit dem wir verschiedene Dinge realisieren: Veranstaltungen, Projekte, Unterstützungen für Vereine (Theater, Krampus, Markttage) – überall, wo touristischer Nutzen gegeben ist, können wir uns unterstützend einbringen.

Unser Ortsausschuss konnte so schon ein paar tolle Projekte realisieren, als Beispiele können wir die Apfelmeile, den Klettersteig Geierwand (der meistbegangene Klettersteig Tirols), den Spielplatz Ochsengarten oder die Loipe in Ochsengarten nennen. Darüber hinaus sind wir gerne die Ansprechpartner für alle Touristiker in der Gemeinde.


„Der wichtigste Faktor ist auf alle Fälle meine große Familie, die mich immer dann freischaufelt, wenn es notwendig ist!“


Wie wird so ein „Projekt“ konkret realisiert?

Nehmen wir als Beispiel den Klettersteig, da hatte mein Papa Alois die Idee. Aus der Idee wird dann ein konkretes Konzept, das beim Tourismusverband eingereicht wird. Nach der Freigabe wurde der Klettersteig durch ein gemeinsames Budget umgesetzt, sprich die Kosten wurden auf den Tourismusverband und den Ortsausschuss aufgeteilt.

Du hast vorhin gemeint, die Ortsausschüsse sind „nicht gesetzlich verankert“ – wie dürfen wir das verstehen?

Alois Burkert ist ein sogenanntes „kooptiertes Mitglied im Aufsichtsrat“. Das bedeutet, er ist bei Aufsichtsrats-Sitzungen dabei und kann seine Meinung einbringen.

Solltest du dieses Amt als Obmann des Ortsausschusses nicht auch übernehmen?

Das ist richtig, und Alois Burkert wird mir auch diese Agenden sukzessive übergeben. Eigentlich hätte er ja das Obmann-Amt auch noch etwa zwei Jahre gehabt, aber dadurch, dass er seinen Betrieb übergeben hat, um sich zur Ruhe zu setzen, musste währned der Periode ein neuer Obmann gefunden werden, da man ohne touristischen Betrieb nicht Ortsausschuss-Obmann sein sollte.

Auf der Website http://www.urlaubambauernhof.at ist ein tolles Zitat von dir zu finden: „Ich bin stolzer Bergbauer und noch vieles mehr: Sportler, Gastwirt und Familienvater und das alles rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr.“ In[1]wieweit kannst und willst du Erfahrungen aus diesen Tätigkeiten in deine Arbeit als Obmann des Tourismus-Ortsausschusses einbringen? Wie bringst du das alles zeitlich unter einen Hut oder um deine eigenen Worte aus besagtem Artikel zu verwenden: Wie schaffst du das alles?

Der wichtigste Faktor ist auf alle Fälle meine große Familie, die mich immer dann freischaufelt, wenn es notwendig ist! Dann und wann muss natürlich auch ich eine Funktion zurücklegen, um Zeit und Raum für eine andere zu machen – den Atemschutzbeauftragten bei der Feuerwehr schaffe ich leider nicht mehr. Andere Engagements sind auch nur über einen bestimmten Zeitraum wesentlich zeitintensiver, als Lawinenkommission haben wir derzeit zum Beispiel sehr viel zu tun, da uns die Sicherung der Baustelle Kraftwerk Kühtai obliegt. Allgemein ist meine Zeit sehr gut durchgetaktet, der Betrieb läuft sehr rund, das ist sicher ein Vorteil, da bleibt dann auch noch genügend Zeit für die Familie. Das Einzige, das zeitlich ein wenig leidet, ist der Sport. Und ja, viele dieser Erfahrungen kann ich als Ausschuss-Obmann geinnbringend einsetzen, auf der anderen Seite ist diese Tätigkeit sicher nicht nur uneigennützig – florieren[1]der Tourismus hilft mir persönlich natürlich auch!



Christoph Rauch, der Destinationsleiter vom Ötztal Tourismus, spricht von einem „Generationswechsel“ im Ausschuss – hat sich außer deiner Übernahme des „Chefpostens“ von Alois Burkert sonst noch etwas personeller Natur geändert? Welche Akzente gedenkst du zu setzen?

Die Wahlen sind erst in zwei Jahren, alle anderen im Ausschuss sind noch dabei, deshalb haben wir im Moment nur einen Wechsel beim Obmann. Ja, es gibt definitiv ein paar Dinge, die mir besonders wichtig sind: Ich schätze den Austausch der jungen Gastronomen aus der Region. Wir setzen auf gegenseitige Unterstützung und Hilfe, da herrscht kein Neid, sondern Zusammenhalt! Das halte ich für äußerst unterstützenswert.

Ich möchte auch gerne über Konzepte nachdenken, wie wir die Ochsengartenbahn ganzjährig in Betrieb halten können. Ich bin auch der Meinung, man sollte sich anschauen, wie wir Forstwege zumindest teilweise für (E-)Biker freibekommen, sodass wir das Rad-Angebot in der Region noch weiter ausbauen können – hier bedarf es natürlich verschiedener offizieller Freigaben. Insgesamt möchte ich auf alle Fälle auf nachhaltigen Tourismus setzen, den wir im eigenen Betrieb ja schon leben.

Das vordere Ötztal, das sind Haiming-Ochsengarten, Sautens und Oetz, arbeitet an einer strategischen Weiterentwicklung des hiesigen Tourismus und nennt dieses Projekt „Touristische Zukunftsstrategie Voderes Ötztal 2030“. Was sind hier die Kernziele und wo stehen wir derzeit in puncto Zielerreichung?

Der Ausgangspunkt der Strategie ist eine zentrale Frage: „Auf welchen Gast konzentriert man sich?“ Hier hat sich die Definition des „sportlich und gesundheitlich orientierten Gastes“ herauskristallisiert, woraus sich mehrere Zielgruppen ergeben: Familie, „Silver-Ager“, Gruppen sowie Paare. Auf diese Zielgruppen ist man gekommen, weil unsere geographischen Gegebenheiten für jene Menschen besonders interessant ist. Ein wichtiges Ziel für uns ist auch, Akzeptanz in puncto Tourismus in der Bevölkerung zu schaffen. Leider findet sich landläufig häufig die Meinung, der Tourismus sei „an allem Schuld“. Gegen solche Standpunkte lässt sich sehr gut argumentieren, so sind Touristen zum Beispiel in erster Linie samstags für erhöhtes Verkehrsaufkommen verantwortlich, aber auch hier tragen wir gerne unseren Teil zur Lösung des Problems bei. Entscheidend ist auf alle Fälle, dass man versteht, wovon wir in Tirol leben. Es mag schon sein, dass in Österreich der Tourismus durchschnittlich acht Prozent des Bruttoinlandsproduktes ausmacht, auf Tirol betrachtet sprechen wir jedoch etwa von einem Drittel. Hier ist uns das Bewusstsein einfach unglaublich wichtig, sodass der Tourismus positiv betrachtet wird.


„Insgesamt möchte ich auf alle Fälle auf nachhaltigen Tourismus setzen, den wir im eigenen Betrieb ja schon leben.“


In der Zielerreichung befinden wir uns auf einem guten Weg, wobei ich nicht der Meinung bin, dass die Strategieverfolgung ein kontinuierlicher Prozess ist, da gibt es keinen Punkt, an dem wir schlussendlich „fertig“ sind.

Die Tourismusbranche leidet bekannterweise speziell aufgrund globaler wie regionaler Entwicklungen: Personalmangel und erhöhte Energie- und Konsumgüterkosten sind zwei wesentliche Herausforderungen. Welche Prognosen stellst du kurz- und mittelfristig für den lokalen Tourismus an?

Der Tourismusverband kann hier leider nur sehr bedingt etwas machen. Die Kurtaxe wird ab November 2023 auf vier Euro angehoben, damit die Kosten gedeckt werden können. Ich denke, jeder Betrieb wird auch individuell Lösungen finden müssen – wir haben zum Beispiel auf Photovoltaik und Wärmepumpe gesetzt, um den Energiekosten entgegenzuwirken.

Eine riesige Herausforderung in unserer Branche sind natürlich die Arbeitszeiten, die mehr und mehr zu Personalmangel führen. Als Zukunftsstrategie in puncto Personal würde ich einen Ansatz bei Lehrlingen vorschlagen – durch bessere Bezahlung könnte der Lehrberuf attraktiver werden, und wenn man einen bestimmten Beruf im Zuge einer Lehre erlernt hat, ist die Chance größer, dass man auch in der Branche bleibt.

Der Tourismusverband setzt bei Arbeitsplatz-Attraktivität auch schon mit verschiedenen Goodies an, aber was die Zukunft generell bringt, können wir alle nicht sehen. Ich persönlich bleibe gerne optimistisch, da alles andere sowieso nicht viel bringt, und mit vereinten Kräften haben wir noch jede Herausforderung gemeistert!


(Text: Daniel Perstaller, Fotos: Armin Neurauter, Daniel Perstaller)

By Eva

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