Bürgermeisterin Michaela Ofner spricht über ihre politischen Ziele, wichtige Gemeindeprojekte, Frauen in der Politik und das, was sie ihrer Gemeinde durch ihr politisches Engagement hinterlassen möchte.

Als du davon erfahren hast, dass du die Wahl gewonnen hast – was waren die ersten Gedanken, die dir durch den Kopf gingen?

Eigentlich nur zwei Dinge. In erster Linie habe ich mich richtig darüber gewundert, wie deutlich der Stimmenunterschied ausgefallen ist. Ich hatte mit etwa 50-70 gerechnet, dass es aber beinahe 500 sein werden, war nicht absehbar.

Gleichzeitig ist mir klargeworden,dass sich mein Leben nun grundlegend ändern würde. Ich war davor neben meinem Job auch Hausfrau und vor allem Mutter. Nun bin ich quasi Mutter einer ganzen Gemeinde geworden – ein absoluter Gewinn!


War eine politische Laufbahn schon immer dein Ziel oder ist diese Idee erst im Laufe der Zeit gereift?

Nein, nie im Leben. Ich war immer schon politisch interessiert und engagiert, aber dass ich selbst einmal Amtsträgerin werden würde, war nicht der Plan.

Den Vorsitz der „Neuen Liste“ habe ich ja von Matthias Mair übernommen, der sich Freiräume für Beruf
und Familie schaffen wollte. Eine logische Konsequenz für uns alle war die Fusion mit der Bürgerliste, da sich schon in vergangenen Gemeinderatsperioden viele politische Parallelen – speziell mit Stephan Kuprian und Rudi Wammes – herauskristallisiert haben.


Am Ende konntet ihr mit diesen vereinten Kräften den Sieg davontragen – was denkst du waren ausschlaggebende Gründe?

Wir haben uns innerhalb der Liste bewusst darauf verständigt, keine Positionen etc. schon vor der Wahl
zu verteilen, auch ich selbst habe keinerlei Versprechungen gemacht. Für den Teamgeist war das einfach viel besser.

Uns war auch klar, dass es für eine unabhängige Gemeindepolitik auch einer unabhängigen Liste und Spitzenkandidatin bedarf. Steuergelder sind unparteiisch, deshalb wollten auch wir keinen Parteieinfluss.

Wir haben uns im Wahlkampf für eine Gemeindepolitik eingesetzt, bei der alle zusammenarbeiten, genau dafür habe ich mit meiner Amtseinführung auch einen Schwur abgelegt, der immer mein tägliches Handeln bestimmen wird.


Michaela Ofner auf ihrem Platz im Sitzungsaal des Gemeinderates.

„Diese Gemeinde hat mich zu der Person gemacht, die ich heute bin, und ich bin froh, dass nun die Zeit gekommen ist, in der ich Haiming dafür etwas zurückgeben kann.“


Auf der Homepage deiner Liste hast du zwei maßgebliche Gründe genannt, die dich dazu bewogen haben, dich um das Bürgermeisteramt zu bewerben: Die Liebe zur Gemeinde und die Unzufriedenheit mit vielen Dingen in der Gemeindepolitik. Könntest du auf diese beiden Dinge etwas näher eingehen? Welche Aspekte in unserer Gemeinde sind es, die deine Liebe zu ihr ausmachen? Mit welchen Gegebenheiten der Gemeindepolitik warst du besonders unzufrieden?

Es gibt da diesen alten Spruch: „Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen.“ Ich bin irrsinnig dankbar dafür, dass mich Haiming erzogen hat. Diese Gemeinde hat mich zu der Person gemacht, die ich heute bin, und ich bin froh, dass nun die Zeit gekommen ist, in der ich Haiming dafür etwas zurückgeben kann.

Was mir immer ein Dorn im Auge war, war diese „Salamipolitik“. Es wurden stets kleinere Projekte realisiert, ohne das große Ganze zu sehen, vielfach wurden Dinge auch nicht zu Ende gedacht. Nehmen wir als Beispiel die Verkehrssituation in Forest Village. Es gibt de facto nur eine Straße, die hinein- und hinausführt. Sicherheitstechnisch ist das sehr bedenklich, hier braucht es unbedingt eine Lösung!

Ich bin auch der Meinung, dass in der Vergangenheit zu wenig für den Umweltschutz und für berufstätige Mütter getan wurde – außer natürlich vor einer Wahl, da sind dann plötzlich doch wieder Dinge passiert.

Leider wurden vielfach – und das sowohl auf kommunaler als auch auf Landes- und Bundesebene – die
Kernaufgaben von gewählten Parlamenten vergessen: Für die Bevölkerung da zu sein, nicht primär für die Wirtschaft. Deshalb war mir die Parteiunabhängigkeit unserer Liste derart wichtig: Parteien müssen von Wahl zu Wahl denken, weil es für sie gilt, einen gewissen Apparat aufrecht zu erhalten. Da wir keiner Partei angehören, können wir hier ungebundener und weitsichtiger agieren.


Du hast das Amt von Josef Leitner übernommen, der dieses drei Jahrzehnte lang innehatte – welche Ausgangssituation hat er dir hinterlassen? Welche Projekte, die er auf den Weg gebracht hat, führst du fort?

Mir wurde viel hinterlassen, das es aufzuarbeiten gilt – die Ausschüsse und ihre Mitglieder unterstützen mich hier sehr!

Es gibt ein paar Projekte, die noch während des Wahlkampfes gestartet wurden und im Moment viel Aufmerksamkeit des Gemeinderates erfordern, zum Beispiel der Umbau und die Aufstockung der Volksschule sowie der Um- und Zubau des Vereinshauses für die Feuerwehr und die Musikkapelle – beides Bauprojekte in Ötztal Bahnhof. Es darf gesagt werden, dass beide Vorhaben zu einer sehr ungünstigen Zeit auf den Weg gebracht wurden, vor allem, was die Kostensituation anbelangt, bei der Volksschule kommt der hohe Zeitdruck erschwerend hinzu. Es ist alles machbar, hier hätte in der vorangegangenen Periode aber mit wesentlich mehr Weitsicht agiert werden können.


Im Jahr 1948 wurde Zenzi Hölzl zur Bürgermeisterin der Gemeinde Gloggnitz und somit als erste Frau in Österreich ins Bürgermeisteramt gewählt. 74 Jahre später darf die Republik mit 205 von 2093 einen Frauenanteil von ca. 9,8% verzeichnen – ein deutliches Ungleichgewicht zwischen Männern und Frauen. Zwei deiner Bürgermeister-Kolleginnen, Monika Wechselberger (Mayrhofen) und Victoria Weber (Schwaz) sprachen kürzlich mit dem STANDARD über die Hürden als Frau in diesem Amt. Als solche nannten sie u.a. Sexismus und die Unvereinbarkeit von Familie und Beruf. Was sind deine bisherigen Erfahrungen als erste Frau, die in Haiming dieses Amt bekleidet?

Das Problem ist gesamtgesellschaftlich angesiedelt. Heute stehen wir vor der Situation, dass ein Einkommen für eine Familie nicht mehr reicht. Da die Hauptverantwortung für die Kinder meist bei der Frau bleibt, sind wir genau beim genannten Fall der Unvereinbarkeit.

Ich glaube, die Idealsituation wäre, dass Mütter die freie Wahl haben. Mir selbst hätte das Herz geblutet,
wenn ich nicht bei Lara daheim bleiben hätte können und habe somit meinen Beruf beim Gericht gerne aufgegeben, aber das war und ist mein Weg und muss nicht der jeder Frau sein. Vielleicht sollte man über Dinge wie das bedingungslose Grundeinkommen oder ähnliche Modelle wieder mehr nachdenken und diskutieren, auf alle Fälle muss die Arbeit einer Mutter noch viel mehr Wertschätzung erfahren, denn dieser Job ist gleich schwer wie jener eines Managers, ein glückliches und ausgeglichenes Kind zu erziehen hat zudem einen unglaublichen Mehrwert für unsere Gesellschaft.

Was den Sexismus anbelangt: Im Wahlkampf hatte ich sicher damit zu tun, danach hat sich das aber gelegt – durch meine Berufserfahrung war ich auf verschiedene Agenden schon gut vorbereitet.


Macht dich das zu einer Ausnahme?

Nein, ich bin überzeugt, dass jede:r alles lernen kann, um dieses Amt auszuüben. In unserer Gemeinde
haben wir zudem das Glück, dass man auf den Erfahrungsschatz vieler kompetenter Menschen aufbauen kann, die für Haiming arbeiten!


Welche Maßnahmen müssen deiner Meinung nach auf kommunaler, Landes- sowie Bundesebene ergriffen werden, um mehr Frauen für politische Laufbahnen zu begeistern?

Nur ein Wort: Vorbilder! Wir brauchen mehr „Role Models“, die zeigen, dass auch als Frau alles möglich ist. Es muss auch nicht immer Kampf und Streit sein, mit Geduld und Diplomatie kannst du dich mindestens genauso gut durchsetzen wie ein Mann. Dass man als Frau so manches Mal unterschätzt wird, kann oft auch ein Vorteil sein!


Welchen Rat hast du generell für Menschen, die sich gerne politisch engagieren möchten?

Die Gemeindepolitik beziehungsweise der Gemeinderat stellt ja quasi das „Dorfparlament“ dar. Ich denke, auf dieser Ebene zu starten und sich bei einer Dorfliste zu engagieren ist der ideale Einstieg, um erste politische Luft zu schnuppern.


Welche großen und wichtigen Projekte erwartet unsere Gemeinde in den nächsten Jahren, und welche liegen dir besonders am Herzen bzw. wo werden deine persönlichen Schwerpunkte liegen?

Ein wichtiges Projekt haben wir bereits geschafft, das Thema Klimabündnis und E5-Gemeinde – das war ja schon zehn Jahre lang auf der Agenda. Auch die Unterschutzstellung des Forchet ist mir sehr wichtig. Mit dem TIWAG-Kraftwerk stehen wir vor dem größten Projekt in Haiming in der jüngeren Gemeindegeschichte. Wichtig ist mir auch ein Gesamt-Verkehrskonzept für die Gemeinde, ein großer Fokus wird auf der Sanierung und Instandhaltung liegen. Die Volksschule Haimingerberg ist hier essentiell, die Volksschule in Ötztal Bahnhof befindet sich bereits im Umbau, aber auch das Waldbad müssen wir in Angriff nehmen. Da wir vor einigen Sanierungen stehen, wird es ausschlaggebend sein, hier gemeinsam mit dem Bauausschuss ein Gesamtkonzept zu erarbeiten und zu priorisieren. Auch auf Neubauten werden wir uns gezielt vorbereiten und Konzepte erarbeiten, diese werden wir aber zu einem späteren Zeitpunkt realisieren, da die Wirtschaftlichkeit derzeit absolut nicht gegeben ist.


„Es muss auch nicht immer Kampf und Streit sein, mit Geduld und Diplomatie kannst du dich mindestens genauso gut durchsetzen wie ein Mann.“


Wir leben in sehr unsteten Zeiten. Die Pandemie begleitet uns nach wie vor, der Krieg in der Ukraine ist allgegenwärtig, die Krise in puncto Lieferketten, Energiewirtschaft etc. beeinflusst uns alle in unterschiedlicher Weise. Gibt es auf kommunalpolitischer Ebene Möglichkeiten, derartige Sorgen zu lindern? Welche Pläne hat der Gemeinderat?

Es ist natürlich unsere Pflicht, uns auch darüber Gedanken zu machen und dort zu agieren, wo wir können. Mit der Anschaffung von Notstromaggregaten haben wir einen wichtigen Schritt getätigt. Die Pandemie hat uns vor allem gezeigt, wie wichtig Nahversorgung ist. Glücklicherweise haben wir in Haiming viele aktive Bauern, die uns gewisse Unabhängigkeit verschaffen und durch die Lebensmittel in der Gemeinde auch leistbar bleiben. Dazu brauchen die Bauern aber Grund und Boden, den es zu erhalten gilt. Auch vonseiten der Blumenwelt Norz-Tichoff gibt es in dieser Hinsicht Notfallpläne – all dies unterstützt auch der Gemeinderat so gut wie möglich!


Auf was möchtest du zurückblicken können, wenn deine politische Karriere ihren Abschluss
findet? Was möchtest du hinterlassen, wie würdest du gerne in Erinnerung bleiben?

Ich würde mir wünschen, dass mich unsere Gemeinde mit einem Satz in Erinnerung behält: „Sie hat alle fair und gleich behandelt.“

(Text: Daniel Perstaller, Fotos: Michaela Ofner)

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