Josef Norz sprach mit dem Haiminger Blattl über die Aufgaben und Herausforderungen eines Innungsmeisters, die Synergien von Wirtschaft und Nachhaltigkeit und seine Leidenschaft für die Musik.
Lieber Josef, darf ich dich eingangs dazu einladen, für unsere Leserinnen und Leser ein wenig in deine frühen Jahre zurückzublicken? Was hat dich in Kindheit, Jugend und jungem Erwachsenenalter geprägt und wie bist du dorthin gekommen, wo du heute bist?
Aufgewachsen bin ich auf der Landwirtschaft meiner Familie in Thaur. Anfänglich hatten wir da auch Kühe und Zuchtschweine, aber als ich acht Jahre alt war, haben wir auf einen reinen Gemüsebetrieb umgestellt. Mit Pflanzen habe ich also seit frühester Kindheit zu tun. Man kann sich vorstellen, dass es einen prägt, wenn man auf einer Landwirtschaft aufwächst. Nach der Schule ging es für mich direkt an die Arbeit, die Hausaufgaben habe ich dann immer später am Abend erledigt. Das alles war zwar sehr fordernd, hat mir aber auch sehr viel gegeben: Ich bin mit der Einstellung aufgewachsen, dass man fleißig sein, dranbleiben und ständig an sich arbeiten muss, wenn man etwas erreichen will. Auch Verantwortungsbewusstsein lernt man so sehr schnell – Pflanzen brauchen regelmäßig Wasser, egal, ob du gerade freihaben willst oder nicht. Die Liebe zu den Pflanzen ist stetig gewachsen und hat mir so viel gegeben, dass ich es mit zwanzig Jahren schon zum Meistertitel geschafft habe. Und seit 1989 führe ich unseren Familienbetrieb.
Seit 2023 bist du Innungsmeister der Gärtner und Floristen. Kannst du uns erklären, welche Aufgaben einem Innungsmeister zukommen? Welche Herausforderungen stellen sich mit solch einer Position ein?
Als Innungsmeister hat man ein spannendes und vor allem vielfältiges Aufgabengebiet. Ganz grundlegend vertrete ich die Interessen aller vierhundert Betriebe – bestehend aus Gärtnern, Gartenbauern sowie Floristen – gegenüber der Öffentlichkeit, Politik und anderen Institutionen. Das beginnt beim Leiten von Innungssitzungen und der Koordination von Aktivitäten der Innung, geht über die Förderung und Qualitätssicherung der Berufsausbildung und geht hin bis zur Budgetverantwortung der Innung, der Öffentlichkeitsarbeit und der Zusammenarbeit mit anderen Innungen, Verbänden und Institutionen. Hier ist mir besonders wichtig, dass sich vom kleinsten bis zum größten Betrieb jeder gehört und sich vertreten fühlt. Bei Fragen und Anliegen bin ich für alle gerne da, jedes Innungsmitglied hat meine private Handynummer und E-Mail-Adresse. Herausfordernd ist manchmal die Balance zwischen „selbst gestalten“ und „etwas aufgedrückt bekommen“ – für die Innung möchte ich natürlich möglichst viel vorantreiben und nicht von irgendwoher getrieben werden.
Mit Oktober 2024 hast du als Nachhaltigkeitssprecher für alle 28 Innungen der Sparten Gewerbe und Handwerk noch ein weiteres Verantwortungsgebiet übernommen. Nachhaltigkeit ist bekanntlich ein hochaktuelles und auch sehr vielschichtiges Gebiet. Was ist dir hierbei besonders wichtig? Welche Schwerpunkte möchtest du setzen? Ökologische Nachhaltigkeit und Wirtschaft scheinen, wenn wir nationale, supranationale und internationale Diskurse beobachten, oftmals unvereinbar. Was sind deine Standpunkte zu diesem Thema? Welche Ziele müssen wir deiner Meinung nach – im Kleinen wie im Großen – verfolgen, damit sich Wirtschaft gleich zeitig erfolgreich und ökologisch nachhaltig gestaltet?
Die augenscheinliche Unvereinbarkeit hat im Wesentlichen drei Kernthemen: Kosten, Marktdruck und Regulierung. Als Unternehmen muss in nachhaltige Themen zuerst investiert werden, der Marktdruck führt dann oft zum Fokus auf kurzfristige Ziele, was natürlich im Widerspruch zu nachhaltigem Denken steht, und zu guter Letzt werden Umweltvorschriften oft als Belastung wahrgenommen.
Diese Bedenken machen die Bereiche Wirtschaft und Nachhaltigkeit aber keineswegs unvereinbar, im Gegen teil: Gerade in diesen Themen dür en und müssen wir unsere Herausforderungen als Chancen sehen. In den Sparten Gewerbe und Handwerk wird Nachhaltigkeit schon vielfach gelebt. Tischlereien arbeiten seit je her mit nachwachsenden Rohstoffen, Malerbetriebe setzen auf ökologische Dämmstoffe wie Hanf, Installateurbetriebe nehmen eine zentrale Rolle beim Umstieg auf alternative Heizsysteme ein. Vielfach handeln Betriebe schon gleichzeitig wirtschaftlich erfolgreich und ökologisch, und oft ist ihnen das gar nicht bewusst. Meine zentrale Aufgabe ist es, erfolgreiche Beispiele zu kommunizieren, damit sich andere davon inspirieren lassen. Ich setze mich auch dafür ein, dass politische Maßnahmen und Rahmenbedingungen – zum Beispiel Subventionen oder Sensibilisierungsprojekte – geschaffen werden, die ökologisches Verhalten fördern.
Auch Innovationsgeist in Richtung Ökologisierung ist als große Chance zu sehen. In diesem Jahr wurde beispielsweise ein ganz neuer Lehrberuf eingeführt, der sich mit dem profesGsionellen Begrünen von Fassaden und Dächern sowie dem Errichten von Bewässerungsanlagen beschäftigt – der Klimagärtner.
Generell ist das Thema Qualifikation für mich ein zentrales Thema, auch im Bereich Nachhaltigkeit. Als Innungsmeister ist es meine Aufgabe, für die bestmögliche Ausbildung zu sorgen, und als Q2-Sprecher setze ich mich dafür ein, dass die Qualifizierung ihren Wert behält. Q2 steht hier für Qualität durch Qualifikation. Das umfasst auch meinen Einsatz dafür, dass unsere Gewerbe reglementiert bleiben. Ein bleibender hoher Berufsstandard ist auch ein zentrales Gebiet der Nachhaltigkeit.
Manche Entwicklungen hin zur Nachhaltigkeit finden auch ohne großes Zutun statt. So wird Konsumentinnen und Konsumenten bei ihren Kaufentscheidungen das Thema immer wichtiger. Als Betrieb schafft man sich somit einen großen Wettbewerbsvorteil, wenn man auf Nachhaltigkeit setzt.
Zusammengefasst: Die Verbindung zwischen ökologischer Nachhaltigkeit und Wirtschaft ist entscheidend für die Zukunft der Gesellschaft. Ein ausgewogenes Verhältnis zwischen wirtschaftlichem Wachstum und ökologischer Verantwortung ist notwendig, um eine nachhaltige Entwicklung zu gewährleisten, die sowohl ökonomische als auch ökologische und soziale Aspekte berücksichtigt.
Schaut man auf die Website deines Unternehmens, so wirst du als „der musikalische Gärtner“ tituliert. Die Musik begleitet dich seit 2006 und ist auch bei euch in der Gärtnerei sehr präsent. Wie bist du zur Musik gekommen? Wie wurde eure Gärtnerei zur „musikalischen Gärtnerei“? Wie findest du bei all deinen Engagements noch Zeit zum Musizieren?
Ich wollte immer schon ein Instrument lernen und die Ziehharmonika hat mich seither besonders fasziniert. Wie man sich vorstellen kann, blieb in meiner Kindheit nicht viel Zeit für Hobbys, daher ist der Wunsch lange nur ein Wunsch geblieben, er hat mich aber nie losgelassen. 2006 habe ich dann den Entschluss gefasst, die Ziehharmonika auf eigene Faust zu erlernen und habe mir im Hammerschmidt Wattens das günstigste verfügbare Instrument und ein Lernvideo gekauft.
Ich bin mit dieser Ziehharmonika aber bald an meine Grenzen gestoßen und wollte eine bessere. An das, was folgte, kann ich mich noch sehr lebhaft erinnern, weil mir die Geschichte selbst beinahe unglaublich erscheint. Es war der Dienstag in der Valentinswoche und ich fand mich im Hammerschmidt in Wattens wieder, um mein Instrument auszutauschen. Der Zufall wollte es, dass just in dem Moment Hubert Klausner – besser bekannt als der Ziehharmonika-Weltmeistermacher – ebenfalls gerade dort war. Ich habe meine Chance genützt und ihn um Rat beim Instrumentenkauf gefragt – und, ob ich denn bei ihm lernen dürfe. Leider habe ich eine Absage bekommen, da er schon über zwei hundert Schüler gehabt hat, aber seine Handynummer konnte ich ihm dennoch entlocken. Ich hab ihn noch am selben Vormittag angerufen, um es nochmals zu versuchen. Seine Antwort: „Du gibst vermutlich eh keine Ruhe, oder? Gut, dann kommst du am Sonntag zu mir nach Aschau.“ Zwei Stunden später habe ich ihn nochmal angerufen, um ihm zu sagen, dass ich sehr flexibel sei, falls die Woche zufällig ein Schüler ausfallen sollte. Ich muss heute noch lachen, denn ich war noch am selben Abend bei Hubert in Aschau!
Was folgte, war eine Musikstunde jede Woche im ersten Jahr, jede zweite Woche im zweiten Jahr, jede dritte Woche im dritten Jahr und jede vierte Woche im vierten Jahr. Insgesamt bin ich über 30.000 Kilometer zu Musikstunden gefahren. Jedenfalls hatten wir 2006 im Betrieb eine Adventausstellung und Hubert hat mich gefragt, ob wir schon musikalische Untermalung hatten. Ich habe natürlich „nein“ gesagt, da wir das bisher noch nie hatten. Hubert hat gemeint, er organisiert was und ist schlussendlich mit ein paar Musikerkollegen zum Spielen gekommen.
Wir haben das Ganze auch angekündigt und schon mit ein paar Gästen gerechnet, weswegen wir etwas Glühwein und zwölf Becher hergerichtet haben. Am Ende waren dann dreihundert Leute da und wir hätten nicht mehr überrascht sein können. So ist unser Betrieb zur „musikalischen Gärtnerei“ geworden und bei jeder Veranstaltung, die wir haben, nehme ich mir gern die Zeit, um ein paar Lieder mit den Musikerinnen und Musikern mitzuspielen. Auch wenn ich oft wenig Zeit habe, nehme ich sie mir immer gern für die Musik, dafür muss immer etwas Zeit übrig sein!
Wenn du heute nochmal starten müsstest, würdest du deinen Weg nochmal genauso gehen oder würdest du gewisse Dinge anders machen? Was ist dein Rat für all jene, die über eine Unternehmensgründung nachdenken oder gerade mittendrin sind?
Ja, ich würde alles nochmal so machen und meinen Weg genauso gehen – mit einer Ausnahme: Ich würde mich mehr politisch engagieren, da ich sehr gerne mitgestalte. Das hätte mich immer sehr gereizt, aber ansonsten wär mein Weg exakt derselbe. Allen, die selbst ein Unternehmen gründen wollen, kann ich nur raten, das zu beherzigen, was auch mich in der hgeprägt hat: Sei fleißig und zielstrebig und lass dich nie von deinem Weg abbringen. Schau da rauf, dass du eine gute Ausbildung hast, dich immer weiterbildest und vor allem, dass man immer mit dir reden kann.
Was sind deine Pläne für die Zu kunft? Welche Ziele verfolgst du, was wünschst du dir?
Um meine Berufsgruppe brauche ich mir keine Sorgen machen, denn ich weiß, dass es uns immer, und in Zukunft sogar immer mehr brauchen wird. Für meinen Betrieb wünsche ich mir, dass er mit meinem Sohn in vierter Generation genauso weiterfloriert wie bisher. Ich bin in der glücklichen Lage, dass ich sagen darf: Es bleiben nicht viele Wünsche offen, ich bin sehr glücklich über alles in meinem Leben und hoffe, dass ich weiterhin all die tollen Dinge machen darf, die mich antreiben, weiterbringen und glücklich machen.
(Text: peda, Fotos: Josef Norz)