Ehrenbürger von Haiming

Aus dem Nebel der Geschichte hole ich heute Josef Greuter hervor. Er wurde am 4. Oktober 1817 in Strad bei Tarrenz geboren. Seine Eltern waren der Gerber Christoph Greuter und Agnes geb. Schuler. Dreihundert Tiroler Gemeinden ernannten den Kleriker und Politiker zum Ehrenbürger, so auch die Gemeinde Haiming.

Nach Absolvierung von Volksschule und Gymnasium in Innsbruck trat er in das Priesterseminar Brixen ein und studierte dort an der Philosophisch-theologischen Hauslehranstalt. Nach seiner Priesterweihe im Jahr 1842 war er ab 1843 Kaplan in Mieming und ab 1846 Kaplan und Pfarrer in Flaurling. 1850 wurde er Religionslehrer am Staatsgymnasium in Innsbruck, unterrichtete aber auch Geschichte, Mathematik und Physik.

In Tirol wurde Josef Greuter zur zentralen Figur der aufstrebenden katholisch-konservativen, antiliberalen Bewegung. Am 3. Mai 1864 wurde er in das Abgeordnetenhaus des Reichrates gewählt, ebenfalls 1864 in den Tiroler Landtag, dem er bis zu seinem Tod im Jahre 1888 angehörte. Bereits 1861 trat der gebürtige Tarrenzer in Erscheinung, als er im Kreis um den späteren Tiroler Landeshauptmann Johann Haßlwanter (dessen Vater stammte vom Silzerberg) bei der Gründung des Parteiblattes „Tiroler Stimmen“ hervortrat. Von 1867 bis 1870 war er Mitglied des Landesausschusses, einer Vorform der späteren Landesregierung.

Das Schlachtross von Hippach

1867 sagte Greuter im Abgeordnetenhaus: „Die soziale Frage wird ein vernichtendes Gericht über den Liberalismus halten“. Als durch die Ma gesetze des Jahres 1868 die Schulau sicht der Kirche entzogen und dem Staat übertragen wurde, verweigerte der Tiroler Landtag unter erheblicher Einwirkung Greuters als Führer der katholisch-konservativen Landtagsmehrheit die Beschlussfassung eines entsprechenden Landesgesetzes zur Durchführung. Das Fass zum Überlaufen brachte schließlich eine Rede von Greuter am 27. September 1869 in Hippach/Zillertal, bei der er die Maigesetze wortgewaltig und heftig angriff. Aufgrund dessen wurde er wegen Majestätsbeleidigung und Störung der öffentlichen Ruhe angeklagt, sein Auslieferungsbegehren wurde jedoch abgelehnt. In Zusammenhang mit dieser Affäre erhielt der streitbare Gottesmann den Beinamen „das Schlachtross von Hippach“.

Josef Greuter war auch Mitglied jener Delegationen der parlamentarischen Körperschaft, die die gemeinsamen Angelegenheiten der Doppelmonarchie zu behandeln hatte. So hatte er sich bei der Delegationssitzung des Reichsrates am 12. November 1884 gegen die Degradierung von Josef Hintner-Aschauer (Gründer der Studentenverbindung „Carolina“ und Arzt) stark gemacht. Dieser hatte sich geweigert, einer Duellaufforderung nachzukommen und verlor daraufhin seine Reserveoffizierscharge.

Konservative unter Druck

Die Tiroler Konservativen gingen im Tiroler Kulturkampf sowohl im Reichsrat als auch im Landtag schweren Zeiten entgegen. Greuter ließ sich davon nicht beirren und zeigte vor allem in Wien Beharrlichkeit für die Durchsetzung der Anliegen. Als der liberale Politiker Dr. Eugen Mühlfeld einen förmlichen Antrag auf beschlossen in den Reichsrat einzutreten, damit war die Parteikrise endgültig Geschichte.

Mahner für die Agrarreform

Josef Greuter wurde für seine erzkonservativen, der Macht der Kirche zum Vorteil reichenden, politischen Grundsätze von liberalen Kreisen Zeit seiner Laufbahn als Abgeordneter angefeindet und wurde in Wien beliebtes Motiv für Karikaturisten. Er diente aber nicht nur – mit großer Beredsamkeit und geschliffener Rhetorik ausgestattet – den Anliegen der Kirche, sondern stellte seine Fähigkeiten in sozialen und wirtschaftlichen Fragen unter Beweis. Bereits als junger Abgeordneter stellte er Anträge, die auf die Konzessionierung des Schneider- und Schusterhandwerkes sowie die Entscheidungsfreiheit über den lokalen Bedarf durch die Gemeinden vorsah. Aber auch diese Vorschläge fanden beim liberalen Staatsministerium keine Beachtung.

Später, in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts, befand sich die Landwirtschaft in einer zunehmend virulenter werdenden Krise. Die Ursachen lagen in der starken Konkurrenz durch billige Getreide- und Fleischlieferungen aus Übersee und eine verfehlte Agrar- und Wirtschaftspolitik. Verschärft wurde die Situation durch katastrophale Überschwemmungen, die Versumpfung des Etschlandes sowie tierische und pflanzliche Schädlinge, die vor allem Südtirol belasteten. Der Landwirtschaft fehlte Kapital, das Bankenwesen steckte in den Kinderschuhen, der Bauernstand war hoffnungslos überschuldet. Im Landtag war von 200 Millionen Gulden mit einer Zinsbelastung von neun Millionen die Rede. Monsignore Greuter nahm sich der existenzbedrohenden Probleme an. Im Jahr 1880 schlug er die Beschränkung der Veräußerlichkeit des Grundbesitzes und die Errichtung einer Landes-Hypothekenbank vor. Die praktische Umsetzung der Vorschläge von Greuter verzögerte sich, Tirol wurde an den Rand einer agrarischen Katastrophe gedrängt. 1896 mit der Einführung des Grundbuches wurden endlich die Weichen für die Installierung einer Landesbank gestellt. Bereits im Jahre 1881 verabschiedete der Landtag ein Ge setz, mit dem die Errichtung des Tiroler Landeskulturrates und die Bezirksgenossenschaften der Landwirte als freie Organisationen beschlossen wurden. Endlich waren die Ideen von Msgr. Greuter in die Realisierungsphase gekommen und die Agrarreformen kamen in Schwung.

Haiming empfängt den Ehrenbürger

Die Neuen Tiroler Stimmen berichteten: Am 2. August 1868 reiste der Abgeordnete Msgr. Prof. Josef Greuter Richtung Oberinntal. Um halb vier Uhr am Nachmittag kam der Eilwagen, der schon in weiter Ferne mit den Böllern signalisiert wurde. Der ganze, große Platz vor dem Wirtshause ward von den Bewohnern besetzt. Greuter wurde von dem Ortsseelsorger und der ganzen Gemeinde-Repräsentanz unter Böllerknall, Musik und Hochrufen empfangen und dann dem Gefeierten von dem Vorsteher das Diplom als Ehrenbürger der Gemeinde Haiming übergeben. Hochrufe, Musik und Böllerknall ertönten weit hin.

Lebensabend

Trotz seiner angeschlagenen Gesundheit blieb Josef Greuter bis 1882 in der Politik und als Gymnasialprofessor tätig. Die letzten Lebensjahre verbrachte er in seinem Geburtsort Strad. Dort ließ er auf eigene Kosten die alte Kapelle restaurieren und den Strader See als Fischteich anlegen. Nach der mündlichen Überlieferung soll er auch eine Chronik über Tarrenz geschrieben haben, die bisher nicht wiedergefunden wurde. Eine große Unterstützung war er auch für seinen Neffen Nikodemus Donnemiller, dem er den Besuch des Gymnasiums und das Studium für Germanistik und Geschichte ermöglichte.

Monsignore Josef Greuter starb am 22. Juni 1888 nach langem, schwerem Leiden in Innsbruck.

(Text: Manfred Wegleiter; Fotos: Karl Klic/C. Angerer & Göschl, Carl von Stur, Sterbebilder Schwemberger)

By Eva

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