Interview mit Anton Raffl – Wem gehört der Wald?
Im Februar 2023 hat der langjährige Gemeindeamtsleiter Anton Raffl eine Publikation über die Geschichte der Teilwaldrechte in Haiming abgeschlossen. Er beschreibt in dem ausführlichen Werk den langen, zuweilen komplizierten Werdegang der Eigentumsverhältnisse an den Tiroler Wäldern im Zeitraum ab Ende der 1830er Jahre bis heute und stellt wissenswerte Querverbindungen zu ökonomischen und politischen Entwicklungen dar.
Das Haiminger Blattl bat Anton Raffl um Auskunft zu den Beweggründen dieser Arbeit. Das Interview führte Ortschronist Manfred Wegleiter.
In diesem Werk arbeitet Anton Raffl die Geschichte der Haiminger Teilwälder auf.
Was hat dich veranlasst, die Geschichte der Teilwälder aufzuarbeiten?
In meiner beruflichen Tätigkeit war ich mit dieser Thematik immer wieder befasst. In der Gemeinde herrschten viele verschiedene Meinungen und Auslegungen dazu, meistens gründeten diese auf mündliche Überlieferungen. Deshalb wollte ich durch Studium von Dokumenten und Anlegungsprotokollen Rechtssicherheit erlangen. Zur Zeit von Kaiser Ferdinand (1835 bis 1848) waren im Vorfeld der Revolution heftige Streitigkeiten über die Eigentumsverhältnisse an den Tiroler Wäldern an der Tagesordnung. Wie wurde darauf politisch reagiert? Der Kaiser hat die allerhöchste Entschließung (1847) für Tirol und Vorarlberg, das „Tiroler Forstregulierungspatent“ erlassen. Damit wurden die bisherigen alttirolerischen Waldordnungen quasi außer Kraft gesetzt. Ein bedeutender Passus im Erlass sah vor, dass die Forstservitute gegen privates Gemeinschaftseigentum abgelöst werden.
Wie und durch wen wurden die rechtlichen Vorgaben umgesetzt?
Es wurden Kommissionen gebildet, deren Vorgehensweisen genau geregelt waren. Durch die neue Rechtssituation mussten von den Gemeinden auch „Wald und Weide“ aufgeteilt werden. Auch die Haiminger Waldeigentümer haben eine Waldteilung vorgenommen, die örtlichen Vertrauenspersonen waren über Jahre damit beschäftigt. Im Bevollmächtigungsprotokoll vom 22.9.1847 wurden folgende, gewählte Kommissionsmitglieder angeführt: Stigger (Vorsteher), Lukas Scherer, Johann Stigger, Mathias Messmer (Silzerberg), Peter Rettenbacher (Ambach) und Kasimir Neurauter (Ochsengarten).
Wie wurden die Grundparzellen erfasst?
Die Instruktions-Kommission hat die Ergebnisse zu den Anmeldungen in mühevollen Erhebungen gesammelt und in Tabellen notiert. So entstand in Verbindung mit exakter Vermessung aller Grundstücke (inkl. Waldungen), Höfe, Gewässer und sonstiger unverbauten und verbauten Landungen schließlich der Franziszeische Kataster (in Haiming 1856 abgeschlossen). Diese „Urmappe“ ist noch heute ein wertvolles Instrument für die Forschung und dient bei manchen Verfahren mit Rechtsunsicherheit als Grundlage für Entscheidungen.
Wann wurde das Grundbuch angelegt?
Die Grundbuchanlegung für unsere Gemeinde erfolgte in den Jahren 1907 bis 1908. Ein gewichtiges Wort hatte dabei der Kommissär. Er war schlussendlich auch dafür verantwortlich, dass es in Haiming und Roppen zu unterschiedlichen Entscheidungen kam, die bis heute nachwirken. Ob die Entscheidungen des Grundbuch-Anlegungskommissärs für Haiming am 27.1.1908 dem Willen der Betroffenen und dem Recht entsprochen haben, ist anzuzweifeln.
Was wurde für Haiming schlussendlich verhandelt?
Die Gemeindevorstehung versuchte die Kommissionen zu überzeugen, dass das Grundeigentum den Teilwaldberechtigten zu übertragen ist. Wie sich aber herausstellte, reichten die Argumente hierfür nicht aus. Der Kommissär ging nicht auf die Begehren der Haiminger Gemeindevorstehung ein. Der Beschluss vom 27.1.1908 lautet: „Das Begehren der Kuratie Haiming, es mögen die in ihrem Gebiete vorkommenden Teilwälder als Privateigentum die Einzelnen eingetragen werden, belastet mit dem bisher ausgebübten Weiderecht zu Gunsten der Ersteher, wird abgewiesen.“
Was ergaben sich für Folgen dieser Entscheidung?
Der Unmut in Haiming war groß. Völlig unverständlich auch deshalb, da in Roppen, das über eine ähnliche Gemeinde- und Waldstruktur verfügt, gänzlich anders entschieden wurde. Der Grund hierfür mag wohl in den Verhandlungsmethoden gelegen sein. Roppen wurde der Imster Rechtsanwalt Dr. Robert Vilas beigestellt, außerdem wurden die Teilwaldberechtigten von Dr. Peter Pfausler (Präsident des Landeskulturrates und Fachreferent für wirtschaftliches Bauwesen) vertreten. Das Grundeigentum wurde in Roppen schlussendlich den Teilwaldberechtigten zuerkannt
(Text und Repro: Manfred Wegleiter)