Unser neuer Pfarrer Kidane hat sich bereit erklärt, mit uns über seinen Werdegang, Religion im Allgemeinen so wie seine Vision für den Seelsorgeraum zu sprechen.
Du hast dich mit fünfzehn Jahren dazu entschlossen, dein Leben der Kirche zu widmen und bist dem Comboni-Orden beigetreten. Knapp drei Jahrzehnte später lässt sich wohl ohne Zweifel sagen, dass es die richtige Entscheidung war. Gab es ein Schlüsselereignis, auf das der endgültige Beschluss zurückzuführen ist?
Nein, dieses eine Schlüsselereignis gab es für mich nicht, die Entscheidung ist über einige Jahre gereift. Es war ein längerer Reifeprozess und eine innere Stimme, die mich zur Kirche geführt hat.
Richtig, mit fünfzehn Jahren bin ich dem Comboni-Orden beigetreten, und die dortige Mitgliedschaft hat meinen weiteren Lebensweg sehr geprägt. Nach der Matura habe ich drei Jahre Religionsphilosophie in der Hauptstadt Äthiopiens, Addis Abeba, studiert. Darauffolgend habe ich mein Noviziat in Sambia und Malawi absolviert, das als Ordensmitglied der Comboni zwei statt ein Jahr dauert.
Wie darf man sich so ein Noviziat vorstellen?
Ganz simpel gesagt: Es ist eine Art Praktikum. Es ist eine Zeit des Gebetes und der Meditation, in der man sich über sich selbst und den Weg, den man einschlagen möchte, klar werden soll. Wir waren zu sechst, die aus Äthiopien nach Sambia und Malawi gekommen sind, aber nicht alle sind geblieben.
Was ist aus ihnen geworden?
Sie haben andere Lebenswege eingeschlagen. Auch dadurch sieht man den Sinn hinter der Noviziatszeit – merkt man, dass die Richtung eine andere sein soll, so ist das auch in Ordnung.
Und wie hat es dich dann schlussendlich nach Tirol verschlagen?
Nach dem Noviziat habe ich drei Wunschorte ausgefüllt, in denen ich mich meine Zukunft sehen könnte: Rom – um nahe am Papst zu sein, Brasilia und Innsbruck. Für letzteren Ort hatte mich ein Bekannter empfohlen, beziehungsweise wollte er mich gerne hier haben, und ich bin sehr froh, dass ich dem Ruf nach Tirol gefolgt bin.
Wie ist es in Innsbruck dann für dich weitergegangen?
Es ging an die Universität. Von 2005 bis 2010 habe ich mein Studium der Theologie und Religionspädagogik absolviert. Am Ende meines Studiums bin ich dann auch aus dem Comboni-Orden ausgetreten, um hier in Tirol Diözesanpriester zu werden. 2011 folgte dann gleich mein Pastoralpraktikum, um die Diözese besser kennenzulernen, parallel dazu habe ich Aufgaben in der katholischen Jugend wahrgenommen. Ein Jahr später wurde ich zum Diakon geweiht und nahm diese Aufgaben im Seelsorgeraum Weer, Weerberg und Kolsass wahr.
Irgendwie witzig, dass du aus dem Seelsorgeraum kommst, dessen Ruf unser nun ehemaliger Pfarrer Volodymyr nun gefolgt ist.
Ja! Und an den Gemeinden liegt mir nach wie vor viel und ich versuche nach Möglichkeit Kontakt mit den Leuten dort zu halten. Mich verbindet ja nicht nur meine Zeit als Diakon mit dem Seelsorgeraum, 2013 durfte ich dort auch meine Primiz, meine erste Heilige Messe als Priester feiern.
Und in der Folge warst du dort als Priester tätig?
Nein, schon 2013 hat es mich in das westliche Mittelgebirge verschlagen, dort war ich drei Jahre lang Priester für die Gemeinden Götzens, Birgitz, Axams und Grinzens. In dieser Zeit sind dann auch meine Aufgaben als Dekanatsjugendseelsorger hinzugekommen, ich durfte auch Religion in der Mittelschule Axams unterrichten.
Ähnliche Aufgaben habe ich ab 2016 in Schwaz übernommen, bis mich.2019 schließlich der Bischof gefragt hat, ob ich Silz übernehmen würde. Ich habe mich für Silz entschieden, 2021 dann aber, weil es schlicht und ergreifend nicht mehr machbar war, die Aufgaben als Jugendseelsorger und im Paulinum Schwaz abgegeben. Ich wollte auch unbedingt mit meinem Doktorat beginnen, das ich hoffentlich in den nächsten Monaten abschließen kann.
In einem Interview mit der Tiroler Tageszeitung aus dem Jahr 2017 hast du gesagt, dass die Kirchen hier im Vergleich zu deinem Geburtsland Äthiopien leer sind, sogar sonntags. Welche Beobachtungen konntest du seither anstellen? Hat sich etwas geändert?
Ja, diese Aussage stimmt immer noch. Silz hat das Ganze aber wieder revidiert, dort war die Kirche immer gut gefüllt, da war ich fast schon verwöhnt. Vor allem die Familiengottesdienste waren immer sehr beliebt, wo man vor allem auch jüngere Menschen zu Gesicht bekam. In der Gemeinde Haiming ist es da etwas bescheidener. Es ging und geht aber nie um Quantität, sondern um Qualität und ich bin dankbar für jeden Menschen, der gerne kommt. Mir ist lieber, dass Leute mit Überzeugung, Freude und Optimismus kommen.
Die Kirche hat in den letzten Jahren wohl oder übel einige ihrer Schäfchen verloren. Welche Möglichkeiten siehst du, diese wieder zurückzuholen oder sogar neue zu gewinnen? Was soll, kann oder muss passieren, damit die katholische Gemeinschaft wieder mehr Stellenwert bei diesen Menschen einnimmt?
Die zentrale Frage ist: Was wollen wir? Ist es überhaupt die Intention, die Kirche bis auf den letzten Platz zu füllen? Ja, natürlich schaut es besser aus, wenn die Kirche voll ist, und Menschen nehmen oftmals nur das Sichtbare wahr, was Glaube und Gebet bewirken, ist jedoch unsichtbar. Ich persönlich möchte, dass alle Menschen in der Kirche einen Platz finden, auch Junge, und dass Kirche ansprechend ist. Wir haben einige Möglichkeiten, um auch Menschen, die seltener zur Messe kommen, wieder davon zu überzeugen, dass auch sie einen Platz in der Kirche haben: Taufen, Hochzeiten und viele andere große Ereignisse. Das wird aber nicht reichen, Menschen zu überzeugen, wenn die Basis fehlt. Diese kann ich beispielsweise im familiären Umfeld schaffen. Ich kann, darf und muss mir selbst die Frage stellen: Ist mir Glaube persönlich wichtig, ist er uns als Familie wichtig? Und wenn ja: Was kann ich dazu beitragen, dass Kirche bei uns einen wichtigen Stellenwert erhält?
Wohlstand ist da manchmal tatsächlich eine Hürde, da Menschen manchmal dazu neigen, zu materiell zu werden, wenn es uns allen zu gut geht. Doch was ist in Krisenzeiten? In Zeiten der Krankheit? Was gibt einem Halt? Alles ist vergänglich, der letzte Halt ist Gott und der Glaube.
Mir ist auch klar, dass wir Schäfchen verlieren, weil die Kirche aus diversen Gründen häufig in Kritik gerät.
Diese möchte ich auch gar nicht diskutieren oder relativieren, sondern eine andere Perspektive eröffnen. Menschen sprechen immer von DER Kirche, aber gibt es wirklich DIE Kirche? Nein, WIR sind Kirche, jede Gemeinschaft gestaltet ihre Kirche. Ich finde den Vergleich vom heiligen Paulus sehr treffend, wenn er sagt, die Kirche ist wie ein lebendiger Körper. Jedes Körperteil erfüllt eine Funktion. Entscheide ich mich also für die Kirche, so bin ich mittendrin, denn wir alle sind Kirche!
Die Ankunft eines neuen Pfarrers weckt immer das Interesse der ganzen Gemeinde. Was würdest du sagen, macht dich als Pfarrer aus? Was dürfen wir erwarten? Gibt es spezielle Dinge, die eine Messe unvergleichlich zu einer Kidane- Messe machen?
Ich würde mich nicht aus einer Messe heraus definieren, ich bin in erster Linie Mensch. Als solcher bin ich an vielen Dingen interessiert. Ich versuche, auf Menschen zuzugehen und sie wirklich kennenzulernen und ganz wichtig: sie beim Namen zu nennen. Ich finde, dadurch zeige ich einer Person, dass sie mir wichtig ist.
Was das priesterliche Wirken anbelangt: Wenn ich was tue, versuche ich immer, auf Menschen und Anlässe einzugehen. Ich möchte Botschaften für den Alltag vermitteln, und das gelingt mir, wenn jeder nur einen Satz oder Gedanken aus der Messe mitnehmen kann.
Am Ende jeder Messe gibt es von mir auch einen Witz, denn Menschen sollen die Messe mit einem Lächeln verlassen. Naja, fast jede Messe. Ansonsten wird immer ein Witz vorausgesetzt, und das nimmt dem Ganzen den Spaß.
Und privat? Welchen Hobbys und Interessen gehst du außerhalb deiner kirchlichen Berufung nach?
Ich bin Mitglied vom “Club Donnerstag” in Silz. Das ist eine Männerrunde, die gemeinsam Volleyball spielt, lacht, streitet und ab und an auch ein Bierchen trinkt! Ich bin auch bei der Feuerwehr in Silz, einmal die Woche spiele ich Tennis, ich musiziere gerne (Gesang, Gitarre, Trommel), dann und wann darf es auch ein “Kartner” sein!
Alles großartige Hobbys. An dieser Stelle schon vielen Dank für das Gespräch. Gibt es etwas, das du gerne noch erwähnen möchtest?
Ich werde mich sehr bemühen, allen fünf Pfarren gerecht zu werden und hoffe, dass mir die Menschen mit Offenheit und Wohlwollen begegnen. Gerne möchte ich euch alle zu meinem “Startfest” einladen – eine Feldmesse, die am 8. Oktober im Feld zwischen Haiminer Kirche und Widum stattfinden wird. Ich würde mich freuen, dort viele von euch kennenzulernen, ansonsten haben wir bestimmt sehr bald die Gelegenheit und Freude, uns anderweitig zu begegnen.
(Text und Foto: peda)