Auf den Spuren jenischer Fahrender mit Zwischenstopp in Haiming

Jenische, auch als Karrner, Laninger oder Dörcher bezeichnet, zogen in den warmen Monaten von Ort zu Ort, um ihre Erzeugnisse (Körbe, Besen) an die Frau oder den Mann zu bringen. Diese „Fahrenden“ hatten auch besondere handwerkliche Fähigkeiten, die sie als Pfannenflicker und Messerschleifer unter Beweis stellten. Oft romantisiert, war das Leben dieser Menschen von Entbehrungen, katastrophalen hygienischen Umständen und Armut geprägt.

Besonders belastend war für diese Volksgruppe die Stigmatisierung– vielfach wurden die Fahrenden als arbeitsscheu, dem Alkohol übermäig zugetan und streitsüchtig abgetan. Inzwischen sind die „Fahrenden“ integriert, haben sich an festen Standorten Existenzen geschaffen, die Diskriminierung flammt nur noch selten auf. Trotzdem leiden viele Nachkommen noch unter ihrer Herkunft und verbergen oder verleugnen diese. Dadurch geht allerdings auch viel an Identität verloren, das „Jenische“ gerät in Vergessenheit.

Dem wollen Michael Haupt, Geschäftsführer der Initiative Minderheiten Tirol, und Marco Buckovez, Obmann des Vereins „Jenische in Österreich“, entgegenwirken. Mit dem Projekt „Kneisesch? Ein Karren voller Geschichte auf den Spuren jenischer Fahrender“ sollen die physischen Strapazen und das Gefühl des unterwegs und heimatlos zu sein, nachgespürt werden.

Marco Buckovez begibt sich Anfang September auf die Spuren seiner Vorfahren und zieht mit einem Handkarren zu Fuß von Innsbruck aus nach Landeck und Nassereith. Mit dem Nötigsten ausgestattet, wird er in Orten, die früher von Jenischen frequentiert wurden, unter einer Plane schlafen, die vom Karren gespannt werden kann. Auch in Haiming wird Marco halt machen. „Ich hoffe, dass ich auf meiner Reise mit möglichst vielen Menschen ins Gespräch komme. Diese Gespräche dienen nicht nur der Sensibilisierung und Aufklärung über historische Ungerechtigkeiten, sondern sollen auch die anhaltende Diskriminierung thematisieren, derer sich Jenische z. B. nach wie vor über ihre Familiennamen ausgesetzt sehen“, erzählt Buckovez, der sich für die Unterstützung durch die Gemeinde Haiming und des Kulturvereines „Kulturraum Haiming-Ötztal“ bedankt.

Mit seinem Karren wird Marco Buckovez voraussichtlich am 5. September beim BILLA-Parkplatz Halt machen, abends um 19:30 findet in der Bibliothek Haiming eine Veranstaltung mit Marco zu diesem Thema statt. „Ich habe mich mit der Geschichte der Fahrenden intensiv beschäftigt. Sie wurden über Jahrhunderte ausgegrenzt und die Nachkommen erleben noch heute Diskriminierung. Mit diesem Projekt sollen die heutigen Generationen die Möglichkeit haben, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen“, hofft Ortschronist Manfred Wegleiter auf rege Beteiligung der Haiminger Bevölkerung.

(Text: Manfred Wegleiter; Fotos: Chronik Haiming, Alena Klinger/Initiative Minderheiten Tirol)

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