Der aktuelle Chronikartikel

Eine Begebenheit am Maria Himmelfahrtstag des Jahres 1873 entwickelte sich zu einem Skandal mit folgendem, monatelangen Kleinkrieg zwischen den Zeitungen „Innsbrucker Tagblatt“ und „Tiroler Volksblatt“. Die Züchtigung eines ungehorsamen Knaben durch den Kooperator während des Hochamtes veranlasste die Parteien zu mehrmaligen Veröffentlichungen und Berichtigungen in ihren Organen.

Was war geschehen? Das Innsbrucker Tagblatt berichtete in der Ausgabe vom 19. August 1873: „Ein arger Skandal hat, wie uns mitgeteilt wird, am 15. August (Maria Himmelfahrtstag) in Haiming bei Silz in der Kirche während des Hauptgottesdienstes stattgefunden.

Der Kurat hielt das feierliche Amt, der Kooperator befand sich in dem für ihn bestimmten Vesperstuhl im Presbyterium. Gerade bei der Wandlung verließ der Kooperator seinen Platz, begab sich zu den im Schiff der Kirche befindlichen Betstühlen und traktierte dort einen Knaben derart mit Ohrfeigen nach links und rechts, dass derselbe laut aufschrie und die ganze in der Kirche versammelte Menge in große Aufregung versetzte.

Es scheint, dass der betreffende Knabe sich ungeziemend benommen hatte. Dafür verdient er Strafe, jedoch außerhalb der Kirche und in andrer Art und Weise. Weit ungeziemender und strafbarer war die Handlungsweise des geweihten Mannes der Kirche, dessen Rohheit bei allen in der Kirche Anwesenden ohne Unterschied den herbsten Tadel hervorrief.“


So sah die “schriftliche Erinnerung im Gebete” an Franz Holzmann aus.


Dasselbe Blatt berichtet in seiner Ausgabe vom 6. September von einer „zweiten Berichtigung“, die durch die Gemeindevorstehung initiiert wurde. In dieser heißt es auszugsweise: “Die Bestrafung des mutwilligen Knaben unter dem Hochamte geschah nicht gerade bei der Wandlung sondern vor derselben; sie geschah auch nicht im Schiff der Kirche, sondern im Presbyterium, wo eben die Schulknaben in nächster Nähe des Vesperstuhles vor dem Altare seit Jahren die Kniebänke haben: Sie erfolgte erst, nachdem der Herr Kooperator wiederholt aber fruchtlos mit erhobenem Finger gemahnt hatte…es will niemand in Haiming denselben laut aufschreien gehört haben; geweint hat er.“

Das Innsbrucker Tagblatt nahm diese Berichtigung zum Anlass, um den Vorsteher Josef Kopp und die Gemeinderäte Marzell Götsch und Johann Schuler als „Pfarrhof-Marionetten“ zu betiteln.

Die „Neuen Tiroler Stimmen“ bemühten sich um vollständige Berichtigung des aus ihrer Sicht wenig skandalösen Vorkommnisses und führten in vier Punkten ihre Sicht der Dinge an. Unterfertigt wurde diese Veröffentlichung am 25.10.1873 von den oben erwähnten Gemeindevertretern.

Im Artikel heißt es unter anderem: „Es handelt sich nicht im Geringsten um einen Skandal in der Kirche, sondern um eine gerechte und ganz notwendige Zurechtweisung des unruhigen und widerspenstigen Knaben.

Dass die bezeichnete Gewalttat nur in der Heraushebung des sich anfangs widersetzenden Knaben und in ein Paar Ohrfeigen bestand, was wohl auch anderswo öfters vorgekommen und noch immer vorkommt, aber nirgends als Gewalttat, noch weniger als Skandal gehalten wird; mithin also nur jene hochgeborene Dame, welche zufällig gerade damals in Begleitung und zwar erst zum Offertorium in die Kirche trat, sich an diesem Vorgange geärgert und besagten Skandal-Artikel im Tagblatt vefertigen ließ.

Bei besagtem Kooperator handelte es sich um den aus Sterzing stammenden Franz Holzmann, der in mehreren Orten seelsorgerisch wirkte. Laut Sterbebild soll er sich gerade in Haiming durch ein neues Glockengeläute und durch Stiftung der Barmherzigen Schwestern ein unvergessliches Denkmal gesetzt haben. Wer der geohrfeigte Knabe und die hochgeborene Dame waren, konnte nicht eruiert werden.

(Text: Manfred Wegleiter; Foto: Chronik Haiming)

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