320 Jahre dauernder Rechtsstreit zwischen Mötz, Obsteig und Haiming

Wie aus dem Kulturraum Haiming-Ötztal in der letzten Ausgabe des „Haiminger Blattl“ angekündigt, ist beabsichtigt, der Haiminger Bevölkerung öfters Ereignisse aus der Vergangenheit näherzubringen.

In einer Vierteljahresschrift von 1851 wird berichtet: „Hunderte von Rechtsstreiten waren anhängig, doppelt so viele Federn in Bewegen, um für und dagegen zu schreiben“ bis diese Klagen vor dem Throne Seiner Majestät, Ferdinand I., gnädiges Gehör fand. Im Jahre 1847 wurde vom Kaiser die „Ablösung der Forstservituten in Tirol“ veranlasst. Die bezüglichen Bestimmungen der Staatsverwaltung hierfür wurden von der Bevölkerung Tirols mit Freuden begrüßt.

Durch diese Regelung kam auch ein jahrhundertealter Rechtsstreit in Bewegung, der die Gemeinden Haiming mit Mötz und Obsteig beschäftigte. Dabei geht es um die Grenzziehung zwischen den drei Gemeinden im Bereich des Tschirgantmassivs.

So wird heute zu einem Rechtsstreit dieser Gemeinden, der in übersetzter Form vom 27. August 1562 aus einer Sammlung im Gemeindearchiv Haiming enthalten ist, berichtet (siehe Faksimile):

Die Urkunde aus diesem Rechtsstreit lautet wie folgt:

1562 Aug. 27. Innsbruck

Die Gemeinden Mötz (Metz) und Obsteig klagen die Gemeinde Haiming (Haymingen) wegen strittiger Weide- und Almrechte auf dem Sim(m)erberg und es kommt in letzter Instanz durch den Regimentsrat Ludwig Fuchs von Abenheim nach Lokalaugenschein zur neuerlichen Verurteilung von Haiming. Die Urteile des Erstgerichtes Petersberg und des Gerichts an Meran in zweiter Instanz werden in der Hauptsache bestätigt und die Grenzmarken von 1555 am Berg Simmering so erläutert, dass die Weide auf Mötzer und Obsteiger Seite den Klägern zustehe, und die andere Seite zum Berg Simmering hin den Haimingern zugehöre. Die Grenze geht von der Arzwiese am Inn zum Grünberg (Grinperg), dann auf die Wegscheid, in den Haisenwald, der Schräge nach durch den Wald den markierten Lärchen entlang bis zum Stibicheck hinauf, welches an die Wasserlän stößt und weiter aufwärts an den Zwerchsteig zunächst bei dem Harner Brunnen bis in die Acherlän. Oberhalb der Acherlän soll ein Zaun errichtet werden. Haiming muss den klagenden Mötzern 33 Florentiner Gerichtskosten ersetzen.

Mit der von Kaiser Ferdinand I. (1793 bis 1875 – er war von 1835 bis 1848 Kaiser von Österreich und König von Böhmen) angeordneten „Ablösung der Forstservituten in Tirol“ war auch die Bildung verschiedenster Gemeindekommissionen notwendig. So zum Beispiel für die Festlegung der Gebiete, der Grenzen, der Rechte. Ebenso wurde ein Amt als „Grundlasten-Ablösungs-und Regulierungs-Local-Commission“ beim Bezirksgericht Silz gebildet. Diese Kommission hatte die Aufgabe, auch die Weide- und Holznutzungsrechte der Gemeinden mit den jeweiligen und betroffenen Gemeindekommissionen festzulegen.

Aus dieser Tätigkeit kam es am 12. Juli 1864 zur Schlussverhandlung. In dieser wurden die Erhebungen, die in den Vorjahren gesammelt wurden, herangezogen und bildeten die Grundlage für die Entscheidung.

Die zuständige Kommission hat sich am 8. Oktober 1879 beim Bezirksgericht Silz auf eine endgültige Regelung betreffend das Weiderechts der Obsteiger Gemeindefraktion Obst-eig, Finserfiecht, Wald, Thal und Ober- und Unterstrass und der Gemeinde Mieming für die Gemeindeparzelle Mötz (Mötz war damals noch keine eigenständige Gemeinde) sowie der Gemeinde Haiming geeinigt.

Hier Auszüge aus dem Urteilsspruch:

Die Vertreter der Gemeinde Obsteig sprechen namens der berechtigten Parzellen Obsteig mit Ober- und Unterstrass, Thal, Finsterfiecht und Wald auf Grund unfürdenklicher Ausübung und Ersitzung in den belasteten Objekten ohne Gegenleistung das Weiderecht an mit 104 Kälber und 102 Ochsen von Mitte Mai bis Johannitag, 24. Juni, dann vom 24. August, Bartlmäh bis Michaeli, 29. September, dann während der Sommerzeit vom Johanniag, d.i. 24. Juni, bis 24. August, bis zu 100 Stück Ochsen und Kälber in-sofern es die Witterung zulässt; endlich während der Sommerzeit vom 24. Juni bis 24. August mit ca. 100 Stück Heimkühen drei bis viermal in der Woche. Die Vertreter der Gemeinde Miemingen, namens der berechtigten Parzelle Mötz, sprechen in den belasteten Liegenschaften auf Grund des gleichen Rechtstitels das unentgeldliche Weiderecht an, mit 80 Stück Kälbern und 80 Ochsen im Frühlinge von Mitte Mai bis 24. Juni und im Herbst vom 24. August, bis 9. September jeden Jahres. Urkunden stehen den Parteien keine zu Gebote, die berechtigten Parteien berufen sich lediglich auf die unfürdenkliche Ausübung und Er-sitzung. Die Gemeinde Haimingen hat das Mitweiderecht mit 100-150 Stück Ochsen, Kälber und Kalbeln und Kühen von Mitte Mai bis 29. September jeden Jahres.

Diese Weiderechte werden alle gegenseitig zugstanden und anerkannt, und über Anerkennung dieser rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse vereinbaren die Parteien für sich und Rechtsnachfolger die Regulierung des gegenständlichen Weiderechtes nach Maßgabe des Absatzes III mit folgenden weiteren Bestimmungen:

Das Weidevieh ist unter die Obhut verlässlicher Hirten zu stellen. Die vorhandenen Quellen, Bäche und Viehtriebwege dürfen vom Weidevieh benützt werden. Die Weide wird für das Galtvieh bei Tag und Nach ausgeübt, die Heimkühe werden nach Hause getrieben. Bei Ausübung der Weide sind die jeweiligen forstgesetzlichen und forstpolizeilichen Bestimmungen zu beobachten. Die in gegenständlicher Anmeldungs-Angelegenheit erlaufenen Kosten werden gegenseitig aufgehoben. Prinzipiell gelten diese Vereinbarungen von 1880 heute noch. Eine detailliertere Aufstellung dieses Rechtsstreits ist bei Anton Raffl einsehbar.

(Text und Faksimile: Anton Raffl)

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