Lebensbild Anton Raffl
Am 11. März 1939 stirbt in der Klinik Innsbruck Anton Raffl im Alter von 33 Jahren an den Folgen eines Unfalles bei der Holzarbeit. Er hinterlässt die Witwe Anna geb. Kapeller und den eineinhalbjährigen Knaben Josef. Einen guten Monat später, am 23. April 1939, kommt Anton jun. im Haus des späteren Bürgermeisters Karl Kapeller, Winkelweg 5, zur Welt. Wenige Monate vor Ausbruch des 2. Weltkrieges steht die Witwe vor großen Herausforderungen und Entbehrungen. 1942 bekommen Josef und Anton noch einen Bruder, Othmar.
Für die heutige Generation sind derartig schwere Lebensumstände nicht fassbar. Untergekommen ist Anna mit ihren Kindern bei ihrem Bruder Franz Kapeller „Müllers“. Im Haus lebte damals neben der Familie von Franz noch Alois Schöpf „Pfutsch“, der Schwiegervater von Franz.
Nach dem Besuch der achtklassigen Volksschule kam „Toni“ in die Kunstschlosserlehre zur Fa. Zösmayr nach Innsbruck, die er nach einem Jahr aufgrund einer chronischen Schulterentzündung abbrechen musste. In den folgenden zwei Jahren hielt er sich mit Gelegenheitsarbeiten über Wasser, besuchte Kurse und brachte sich das Schreibmaschinenschreiben bei. Etwa zur selben Zeit arbeite er fleißig mit Bruder Josef beim Hausbau seiner Mutter am heutigen Höhenweg mit. Ein Jahr lang dauerte es, bis der Grund ausgehoben war, die Steine wurden von Maurer Robert Kopp verarbeitet.
1957 fand Toni eine Anstellung bei der Gemeinde Haiming, sein Arbeitskollege im Büro war Hermann Maurer. Wissbegierig, wie es seinem Naturell entsprach, besuchte er abends die Arbeitermittelschule und kam mit dem letzten Zug um Mitternacht nach Hause. Freizeit blieb so gut wie keine übrig, denn gleichzeitig ließ er sich am Konservatorium mit Tenorhorn und Zugposaune ausbilden. 1962 heiratete er seine Jugendliebe Helene „Hella“ Raffl und zwei Jahre später legte er die Arbeitermatura ab, die es ihm ermöglichte, in den Beamtenstand übernommen zu werden.
Sowohl als Gemeindesekretär als auch als Amtsleiter sah er sich in erster Linie als „beratender Dienstleister“. Haiminger aus allen Ortsteilen, jeden Alters und Geschlechts, jeglicher Berufe suchten in der „Gmua“ Rat. „Geh‘ zum Sekretär, der wird’s schon wissen“, hieß es dann, denn er kennt jeden Flecken der Gemeinde, alle Ortsteile mit Hausnummer und Eigentümer. So gut er konnte, half Toni den Bürgern bei ihren Anliegen und der Bewältigung von Problemen. Rentenanträge, schriftliche Eingaben, Steuererklärungen – wer weiß was nicht noch alles auf seinem Schreibtisch landete und der Erledigung harrte. Nach zehn Jahren als Gemeindesekretär und 25 Jahre als Amtsleiter ging er 1997 in Pension. Was er aus dieser Zeit in die Pension mitnahm ist die Berufung als Legalisator und gerichtlich bestellter Sachverständiger für Grundstücks- und Gebäudeschätzungen. Diese Funktionen übt er bis heute aus.
Die berufliche Tätigkeit in der Gemeinde hielt Anton Raffl nicht vor weiteren Engagements in der Öffentlichkeit ab. Neben den politischen Tätigkeiten wie als ÖAAB-Bezirksobmann, Bundesrat und Vizebürgermeister brachte er sein Wissen in Vereinen und Institutionen ein. Aktive 25-jährige Mitgliedschaft und Schriftführertätigkeit bei der Musikkapelle Haiming, Mitglied beim SV Haiming-Ötztal Sektion Fußball (Toni gehörte zu den ersten Haiminger Buben, die dem SV Ötztal, der von den volksdeutschen Flüchtlingen gegründet wurde, beigetreten und in der Jugendelf mitgewirkt haben), Gründungsmitglied des Schiclubs Haiming und der Tourismusregion Mittleres Oberinntal, Initiator zur Gründung des Seniorenbundes und Proponent des Vereins „Haiminger Markttage“ – nur einige der ehrenamtlichen Tätigkeiten von Toni Raffl.
Viel Zeit und Mühen investierte er in den Bereichen Gesundheitswesen, Lebenshilfe, Apotheke und Ansiedelung von Ärzten. Sein Einsatz machte sich insbesondere bei der erfolgreichen Ansiedelung der Apotheke und des zweiten praktischen Arztes (Dr. Michael Eiter) bezahlt. In den Jahren seines „Unruhestandes“ widmete er sich auch Themen, die in der Öffentlichkeit teils zu heftigen Debatten und politischen Auseinandersetzungen gipfelten. Als unbeugsamer Gegner zum Bau des Tschirganttunnels hat er seine starke Stimme ebenso eingebracht, wie als „Aufdecker“ der Geschichte rund um die Beinkorbwiesen.
Die von der ASFINAG im Jahre 2010 eigenmächtig vorgenommene Änderung der Autobahnbeschilderung von bisher „Haiming“ in „Ötztal“ würde ohne Hartnäckigkeit des Toni Raffl gegenüber der „Obrigkeit“ wohl kaum rückgängig gemacht worden sein. Auch der Standort „Lebenshilfe in Ötztal-Bahnhof“ ist auf eine Initiative von ihm zurückzuführen.
„Kulturarbeit hat mich immer schon interessiert. Vor allem die Musik, der ich aufgrund meiner vielfältigen Tätigkeiten leider zu wenig Zeit geschenkt habe, fasziniert mich“, berichtet Toni von seiner großen Leidenschaft. Das Musizieren scheint den „Müllers“ in die Wiege gelegt zu sein. Um dem Kulturleben in Haiming neuen Schwung zu verleihen, scharte er im Jahre 2016 weitere Interessierte um sich, um den Verein „Kulturraum Haiming-Ötztal“ zu gründen. In den acht Jahren seines Bestehens kann der Verein eine äußerst erfolgreiche Bilanz vorweisen.
Wie Anton Raffl das breite Spektrum seines Wirkens unter Dach und Fach brachte, ist schier nicht nachvollziehbar. Da gibt es ja noch zu berichten, dass er mit seiner Gattin Hella im Jahre 1976 das Hotel-Restaurant Föhrenhof gebaut und geführt hat. Und Toni war schon fast siebzig Jahre alt, als er an die Renovierung des mehr als dreihundert Jahre alten Bauernhauses beim „Vinzenz“ schritt. Dort genießt er eine paradiesische Idylle inmitten von Obstbäumen, Beerensträuchern und in Nachbarschaft zwei seiner vier Töchter mit deren Familien. Wer meint, dass Anton Raffl auf dem Bankl sitzt und dem Nichtstun frön
(Text: Manfred Wegleiter; Fotos: Anton Raffl, Archiv Manfred Wegleiter)