Heiraten damals und heute
Die Ehe ist eine förmliche, gefestigte Verbindung zwischen zwei Personen und meist rituell oder gesetzlich geregelt. Im Christentum beginnt die Ehe seit dem Frühmittelalter mit der einvernehmlichen Verlobung des Brautpaares. Mit einer Hochzeit sind lokal unterschiedliche Bräuche verbunden. In den vergangenen fünf Jahrzehnten haben sich auch bei uns Hochzeitsbräuche aus dem angloamerikanischen Kulturraum stammende Formen etabliert. Nehmen wir die Beschreibung von Bauernhochzeiten im Werk „Tiroler Volksleben“ des Schriftstellers und Volkskundlers Ludwig von Hörmann als Grundlage zum Vergleich mit heutigen Hochzeitszeremonien, so trifft man in einigen Passagen auf Gemeinsamkeiten mit heutigen Gepflogenheiten. Damals – Hörmannverfasste den Bericht im Jahr 1909 – war das Heiraten in vielen Fällen mit großen Hürden verbunden. Uralte Gemeindevorschriften wie die Ehehaft und Gemeindeordnung, ein für viele nicht leistbares Heiratsgeld und der in den Familien vorherrschende patriarchalische Führungsstil ließen Heiratswillige verzweifeln.
Verlobung
Hörmann berichtet: Das Erste, was ein auf Freiersfüßen befindlicher Bursche tut, ist, dass er es „mit dem Mädchen richtig macht“. Dazu eignet sich das „Fensterlen“ oder „Gasselgehen“ ganz vorzüglich, weil man da in der Stille der Nacht unbelauscht alles besprechen kann. Im Oberland führte der erste Weg nach der Verlobung in das Widum, wo der Pfarrer dem Paar das Brautexamen abnahm. Erst danach gelangte die Kunde an die Öffentlichkeit. Es folgte ein Familienfest mit Pfarrer und Messner, für die Kosten hatte die Braut aufzukommen. Draußen wurden Böller abgeschossen, und am nächsten Morgen bei der Predig verkündete der Pfarrer von der Kanzel herab den Entschluss des Paares. „Sitzengebliebene“ Mädchen hatten viel Spott über sich ergehen zu lassen (Spottgedichte, eine mit Kohle an die Hauswand gezeichnete Geige usw.). Heute werden Verlobungen selten in großem Stil gefeiert und öffentlich gemacht.
Poltern
Der Polterabend ist ein sehr alter Brauch (die ersten Aufzeichnungen finden sich im Spätmittelalter), der früher durch das Zerschlagen von Steingut und Porzellan gekennzeichnet war. Damit sollten böse Geister vertrieben werden. In der Regel wurde vor dem Haus der Braut bzw. ihrer Eltern am Vorabend der kirchlichen oder standesamtlichen Trauung gepoltert. Inzwischen ist es üblich geworden, den Polterabend Wochen vor dem Hochzeitstag abzuhalten. War früher das Brautpaar gemeinsam „Gastgeber“ des Spektakels, so gehen heutzutage Bräutigam und Braut ihre eigenen Wege. Die Tradition des Polterns wurde seit den 1980er Jahren stark zurückgedrängt und wich Formen, die vor allem aus dem angloamerikanischen Kulturraum stammen. Statt vor dem Elternhaus der Braut zu poltern, zieht es Brautleute zuweilen sogar ins Ausland, um von der „Freiheit“ Abschied zu nehmen.
Das Hochzeitsfest
Aus finanziellen Gründen wurden im Oberinntal viele „stille Hochzeiten“ abgehalten – außer den Brautleuten waren nur zwei Zeugen und der Brautführer anwesend. Bei einer „echten“ Bauernhochzeit (im hinteren Zillertal stieg die Zahl der geladenenGäste manchmal auf vier- bis fünfhundert) wo roter Wein in Fülle floss und getanzt wurde, dass die Fetzen davonfliegen, zahlten die Gäste das Essen selbst und mussten beim Erscheinen bis zehn Kronen „weisen“ (entspricht heute ca. 75 EUR). Am Festmorgen wurde das Brautpaar mit Böllerschüssen geweckt. Der Kirchgang fand meist um 10 Uhr statt. Wenn die kirchliche Feier vorüber war, dann führte der Zug zum Wirtshaus. Oft legten sich Hindernisse in den Weg: das „Brautaufheben“ war auch bei uns üblich. Gegen ein entsprechendes Trinkgeld wurde der durch Stangen oder Seile versperrte Weg freigegeben. Nach dem üppigen Mahl mit Nudelsuppe, Kraut, Fleisch, Knödel und schweinernes Bratl, Küchel und Krapfn, setzen die Spielleute ihre Instrumente an. Während das Tanzgewühl am ärgsten war, nützten die Burschen die Gelegenheit und entführten die Braut. Der Brautführer machte sich alsbald auf die Suche und zahlte die entstandene Zeche. Wenn die frisch Vermählten zu später Stunde ins eigene Heim kamen, erwartete sie meist eine unangenehme Überraschung: Burschen liebten es den Eheleuten einen „Tuck“ anzutun. So wurden Ehebetten zerlegt, auf‘s Hausdach gebracht, das Brautbett zugenäht oder gar Ameisen und Maikäfer hineingeschmuggelt. Heutzutage werden kirchliche Hochzeiten ähnlich zelebriert. Hochzeitsgesellschaften mit über 100 Personensind keine Seltenheit. Die Kosten zur Durchführung einer „echten“ Hochzeit sind enorm. Mit entsprechender Brautkleidung, Blumenschmuck, Foto- und Videoproduktionen, Festmahl, Tanzkapelle usw. müssen mindestens 10.000 Euro bis 15.000 Euroveranschlagt werden. Bei Einbeziehung von professionellen Hochzeitsagenturen in „Top Locations“ können sich die Kosten verdreifachen. Für eine Hochzeitsreise bleibt da in vielen Fällen kein Budget übrig.
Eheschließungen vor 100 Jahren
Folgende Haiminger Paare haben 1924 kirchlich geheiratet:
• Franz Hochegger (25) mit Theresia Saurer (31) in Absam
• Wilhelm Wegleiter (24) mit Rosa Schlatter (22) in Wilten
• Johann Gager (36) mit Maria Frida Hamerle (31) in Absam
• Josef Kopp (32) mit Katharina Nagele (23) in Wilten
• Lambert Sternbaum (63) mit Franziska Glatz (35) in Absam
Ein Hochzeitsbericht zum Schmunzeln
Haiming (Hochzeit). Durch tatkräftige Unterstützung des neuen Schwagers Franz bei der Stallarbeit und nach Absolvierung eines mehrtägigen Kurses im Melken ist dem Versicherungsbeamten Karl Walser gelungen, eine liebe Frau und ein Zimmer in Haiming zu ergattern. So ist er dann am 12. September 1949 mit Fräulein Maria Stigger, zwar mit etwas Schlagseite, aber doch sicher im Hafen der Ehe gelandet. Für die Kurse war dem Genannten von seiner Firma großzügig ein längerer Sonderurlaub genehmigt worden. Die Sympathie der Schwiegermutter hatte sich Karl schon lange vorher durch fleißiges Geschirrspülen und Holzeintragen zu sichern gewusst. Fahrradreifen dürften in naher Zukunft wohl leichter zu haben sein, da die Fahrten unseres Delinquenten von Silz nach Haiming unterbleiben werden. Sei dem aber wie dem wolle, dem jungen Ehepaar gehören doch unsere allerbesten Wünsche für die Zukunft.
(Tiroler Bauernzeitung vom 22. September 1949).
Erinnerung an eine Hochzeit anno 1956
Hilda Köll geb. Prantl, wohnhaft in Ötztal-Bahnhof (Jahrgang 1936) erinnert sich. „Franz und ich haben am 6. August 1956 in der Wiltener Basilika kirchlich geheiratet, die standesamtliche Trauung fand am Standesamt Imst statt. Nach der Trauung sind wir am späten Nachmittag zu meinem Elternhaus in Roppen gefahren, wo meine Schwester Emma und Schwägerin Luise das Hochzeitsmahl vorbereitet hatten. Leider kam es nicht zum Festessen, da im Ortsteil Obbruck ein Feuer ausgebrochen war. Meine Brüder und einige andere Geladene mussten als Feuerwehrleute natürlich in großer Eile zum Einsatzort, so war es mit der Hochzeitsfeier vorbei, noch ehe sie begonnen hatte.“ Die Feier zur Diamantenen Hochzeit fand dann am 6. August2016 ohne Hindernisse im Gasthof Karlsruhe in Roppen statt. Franz Köll, gebürtig in Balbach-Ochsengarten, starb am 6. März 2020.
Zahlen und Fakten
Im Jahr 2023 betrug das durchschnittliche Erstheiratsalter in Österreich 33,.5 Jahre bei den Männern und 31,5 Jahre bei den Frauen. Die durchschnittliche Ehedauer bei der Scheidung in Österreich betrug 10,4 Jahre, die Gesamtscheidungsrate lag bei etwa 36,1 Prozent. Die Anzahl der Eheschließungen lag zu Beginn der 1960er Jahre bei 60.000, sank bis 1970 auf etwa 45.000. Seit 2008 blieb die Ehe- schließungsrate weitgehend unverändert und schwankte zwischen 4,2 und 4,6 Ehen pro 1000 Personen (immer bezogen auf standesamtliche Trauungen). Ehen sind seit 1. August 1938 obligatorische Zivilehen und damit nur rechtsgültig, wenn sie vor Standesbeamten geschlossen worden sind. Seit einigen Jahren ist es rechtlich möglich, auch ohne vorherige standesamtliche Trauung kirchlich zu heiraten. 2022 haben sich in Österreich 9.503 Paare kirchlich getraut.
Die meisten Paare entschließen sich heutzutage für eine standesamtliche Verehelichung. Dafür sind mehrere Gründe verantwortlich (geringere Kosten, keine lange Suche nach passenden Veranstaltungssälen, fehlende innere Bekenntnis zur katholischen Kirche usw.).
(Text: Manfred Wegleiter; Fotos: Privat; Christian Neurauter; Alrun Lunger; Manfred Nagele)